Für die Ernährungssicherung nur auf die Vielfalt der Anbaukulturen zu setzen, reicht nicht aus
Die Ernährung rund um den Globus zu sichern, ist eine zentrale Herausforderung der Menschheit – insbesondere vor dem Hintergrund des bis zum Jahr 2050 prognostizierten Bevölkerungsanstiegs auf fast zehn Milliarden Menschen und der Auswirkungen des Klimawandels. Eine hohe Vielfalt an Anbaukulturen gilt in der Landwirtschaft als stabilisierender Faktor für die Ernährungssicherheit. Doch diese Diversität allein genügt nicht. Es kommt auch darauf an, dass Anbaukulturen sich in ihren zeitlichen Produktionsmustern unterscheiden, schreibt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes Forscherteam in einem Beitrag für Nature.
Die Diversität der Feldfrüchte ist ein wichtiger Faktor, um die landwirtschaftliche Produktion zu sichern. Eine größere Anzahl verschiedener Feldfrüchte mindert das Risiko eines kompletten Ernteausfalls, wenn einzelne Kulturen von Pflanzenkrankheiten befallen werden, und sie schützt vor Missernten infolge von extremen Wetterereignissen wie Dürren oder Schädlingsbefall. „Mindestens genauso entscheidend für die Produktionssicherung ist allerdings die Asynchronität“, sagt Lukas Egli, UFZ-Agrarökologe und Erstautor der Studie. So ergibt sich eine größere Asynchronität beispielsweise durch Unterschiede in der zeitlichen Abfolge, in der auf Ackerflächen Feldfrüchte ausgesät und geerntet werden oder die Variation der Phänologie, also der unterschiedlichen zeitlichen Entwicklung in der Vegetationsperiode. „Je heterogener die Feldfrüchte zeitlich verteilt sind und auf Auswirkungen von Extremereignissen, Naturkatastrophen und ökonomischen Krisen reagieren, umso weniger schwankt die gesamte landwirtschaftliche Produktion eines Landes“, sagt Egli. Werden zum Beispiel unterschiedliche Nutzpflanzenarten zur gleichen Zeit erntereif, steigt das Risiko, dass bei einem Unwetter oder einem Hochwasser die komplette Ernte vernichtet wird. Ein solcher Totalausfall wird durch Asynchronität vermieden, zum Beispiel durch diverse Aussaat- und Erntezeiten, durch den Anbau von Kulturen mit unterschiedlichen Anforderungen an Klima und Bewirtschaftung oder durch den Einsatz von Mischkulturen.
Die Auswertung von Daten der Welternährungsorganisation (FAO) ergab, dass beispielweise Indien, Mexiko und China zu den Staaten mit einer hohen Produktionsstabilität und hoher Asynchronität gehören; in Russland, Australien und Argentinien sind Stabilität und Asynchronität dagegen gering. Derzeit geht der globale Trend in der Landwirtschaft allerdings eher dahin, dass die Asynchronität abnimmt. „Globalisierte Agrarmärkte erlauben es, dass Ernteausfälle in einer Region durch den Handel mit anderen Regionen ausgeglichen werden können. Der Handel selbst ist also ein stabilisierender Faktor und könnte den Anbau einer großen Vielfalt von Ackerkulturen mit unterschiedlichen Wachstumsverhalten als weniger wichtig erscheinen lassen“, sagt Prof. Dr. Ralf Seppelt, UFZ-Landschaftsökologe und Co-Autor. Doch um die Nahrungsmittelproduktion von den Unwägbarkeiten des Weltmarktes etwas unabhängiger zu machen, sollten Staaten eine hohe Diversität und Asynchronität der Anbaukulturen stärker als bisher berücksichtigen.
Publikation:
Egli, L., Schröter, M., Scherber, C., Tscharntke, T., Seppelt, R.: Crop asynchrony stabilizes food production. Nature, doi: https://doi.org/10.1038/s41586-020-2965-6
Informationen:
Lukas Egli
UFZ-Department Landschaftsökologie
lukas.egli [at] ufz.de
Prof. Dr. Ralf Seppelt
UFZ-Department Landschaftsökologie
Ralf.seppelt [at] ufz.de
Ansprechpartner Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere, Bonn
Prof. Dr. Christoph Scherber
Leiter Zentrum für Biodiversitätsmonitoring (zbm)
Tel: +49 (0)228 9122 450
Fax: +49 (0)228 9122 212
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