Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels

ist ein Forschungsmuseum der Leibniz Gemeinschaft

  • DE
  • EN
  • LS

Jahresbericht 2010

Grußwort des Direktors

Das vergangene Jahr war sehr ereignisreich und für die Entwicklung des Forschungsmuseums Koenig außerordentlich wichtig. Es begann mit dem großen Zulauf zur aufregenden Ausstellung "Dinosaurier - Giganten Argentiniens", die Ende 2009 nach extrem kurzer Vorlaufzeit in einem großen Kraftakt aufgebaut werden konnte und insgesamt ca. 200.000 Besucher aus dem ganzen Rheinland und den Nachbarbundesländern nach Bonn lockte. Es war eine Freude, zuzusehen, wie die Menschen ungläubig und staunend unter den teils riesigen Exponaten standen.
Passend zum Jahr der Biodiversität wurde anschließend die Wanderausstellung "Wildnis Siebengebirge" gezeigt, organisiert durch die Alexander Koenig Gesellschaft und unter Schirmherrschaft des Umweltministers des Landes NRW, Eckhard Uhlenberg, unterstützt durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die biologische Station Bonn und den Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS). Passend dazu wurde eine Vortragsserie "Biodiversität im Rheinland" angeboten, die viele Naturfreunde anzog.
Weitere Sonderausstellungen folgten, wie der vorliegende Jahresbericht aufführt. Obwohl die Ausstellungen kaum institutionell gefördert wurden, gelang es, ein spannendes und abwechslungsreiches Programm anzubieten. Die Ausstellungsgruppe des Museums konnte die Dauerausstellung "Unser blauer Planet - Leben im Netzwerk" um das Element "Wüste" erweitern. Auf Wunsch von Lehrern, die im Rahmen des Biologieunterrichts mit ihren Schulklassen das Museum besuchen, wurde außerdem die sehr erfolgreiche Darwin-Ausstellung verlängert.

Nach neun Jahren Laufzeit endete das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt "BIOTA Ost". Mitte März fand eine Abschlusskonferenz in Kakamega statt, dem Ort mit dem letzten Tieflandregenwald in Kenia. Unsere afrikanischen Partner bedauern, dass die langjährige Kooperation und Förderung von Wissenschaft und begabten Nachwuchskräften zu Ende ging, haben aber durch die Übernahme von Forschungsaktivitäten, Laboreinrichtungen und Aufforstungsvorhaben gezeigt, dass sie die Motivation, Mittel und Kenntnisse haben, um in eigener Verantwortung weiterzuarbeiten.
Für unser Institut gibt es mehrere Vorhaben in den Tropen, die die Biodiversitätsforschung vorantreiben, darunter ein neues, von der DFG gefördertes Vorhaben zur genetischen Charakterisierung der Artenvielfalt in einem montanen Regenwald der Anden in Ecuador. Aber auch in Europa ist das ZFMK aktiv. Für die Analyse der europäischen Artenvielfalt der Süßwasserfische hat die Leibniz Gemeinschaft (WGL) Herrn Dr. Fabian Herder und seinen Kooperationspartnern die erforderlichen Mittel bereitgestellt, womit wir in diesem Bereich einen Meilenstein setzen können.

Mit dem Ausbau der molekularen Forschungslaboratorien wurde eine Neustrukturierung des Instituts vorgenommen. Die "klassischen" Forschungssektionen wurden als "Zentrum für Taxonomie und Evolutionsforschung" zusammengefasst. Der Begriff "Taxonomie" wird dabei bewusst in den Vordergrund gestellt, da diese grundlegende Wissenschaft an Deutschlands Hochschulen kaum noch vertreten ist.
Das seit April 2010 von Herrn Prof. Dr. Bernhard Misof geleitete "Zentrum für molekulare Biodiversitätsforschung" (ZMB) umfasst dagegen die neu hinzukommenden Arbeitsschwerpunkte molekulare Phylogenetik, Genomik, Bioinformatik und molekulare Taxonomie. Der Bereich Öffentlichkeitsarbeit wurde in die Abteilungen Veranstaltungen und Ausstellungen aufgeteilt, die mit dem "Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungen" ein gemeinsames Dach haben.
Durch diese Neustrukturierung sind die großen Aufgaben des Instituts auch für Außenstehende gut unterscheidbar.

Zur Verbesserung der Außendarstellung trägt auch die neue Gestaltung unserer wissenschaftlichen Zeitschrift bei. Unter Leitung von Herrn Dr. Fabian Herder bekamen die "Bonner Zoologischen Beiträge" (BZB) ein neues Aussehen und einen englischen Titel. Das "Bonn Zoological Bulletin" wird künftig regelmäßig erscheinen und im internationalen Markt konkurrenzfähig sein. Ein wichtiger Meilenstein ist die Publikation des Typenkatalogs im BZB.

Besonders wichtig war und ist der Ausbau des Mitarbeiterbestandes, der gemäß dem Strukturplan schrittweise vollzogen wird. Wir danken hier insbesondere dem Wissenschaftsministerium des Landes NRW (MIWFT) und der Universität Bonn, die durch ein Kooperationsabkommen diese Entwicklung ermöglichten. Die Berufung von Herrn Prof. Bernhard Misof, bis dahin Lehrstuhlinhaber an der Universität Hamburg, war schon 2009 erfolgt. Die ersten neuen Stellen, die 2010 besetzt werden konnten, waren eine Wissenschaftlerstelle für Genomik und die Stelle eines EU-Beauftragten, der Aufgaben des Direktors im internationalen Rahmen wahrnimmt.
Herr Dr. Oliver Niehuis hatte sich 2005-2009 mit der rasanten Entwicklung der Genomik an der Arizona State University (Tempe, USA) beschäftigt und war anschließend kurze Zeit an der Universität Osnabrück angestellt, ehe er an das ZMB wechselte.
Mit Herrn Dr. Klaus Riede hat der Direktor einen Assistenten gewinnen können, der insbesondere in der Forschungspolitik der EU bewandert ist und zugleich als Experte für bioakustische Analysen und für Heuschrecken neue Forschungsthemen mitbringt. Bevor er für das EU-Exzellenznetzwerk EDIT in Stuttgart tätig war, hatte er am Museum Koenig das Weltregister der wandernden Tierarten aufgebaut.
Als Leiter der Abteilung Ausstellungen konnte ab August Herr Dr. Thomas Gerken angestellt werden, der schon seit vielen Jahren die Dauerausstellung des ZFMK entscheidend gestaltet und Sonderausstellungen organisiert.
Es folgte die Einstellung von Herrn Dr. Jonas Astrin, der die Sektion Molekulare Taxonomie leitet und für die DNA-Bank des ZFMK zuständig ist.
Da die Datenauswertung zunehmend an Bedeutung gewinnt und am ZFMK Ideen für innovative Algorithmen entwickelt werden, wurde mit Herrn Dr. Christoph Mayer ein Physiker eingestellt, der sich vorher schon an der Universität Bochum mit phylogenetischen Analysen molekularer Daten befasst hatte. Seine besondere Kombination von vertieftem mathematischem Verständnis, sehr guten Programmierkenntnissen und biologischem Wissen ist an Forschungsmuseen einmalig. Für die technische Betreuung der Laboratorien am ZMB konnten Frau Claudia Etzbauer und Frau Christina Blume gewonnen werden.
Konsolidiert wurden nicht nur die molekulare Forschung, der Ausbau der Rechnerleistungen und die Kapazitäten für Probendurchsatz im Molekularlabor, sondern auch die für die Biodiversitätsforschung grundlegende Taxonomie. Für die neue Kustodie "Myriapoda" ist Herr Dr. Thomas Wesener zu uns gestoßen, der bisher am Field Museum in Chicago tätig war.

Weitere Kustodien sollen 2011 ausgebaut werden. Von großer Bedeutung für die Aufgaben in der Forschung ist auch die EDV-Abteilung, die zu einem leistungsfähigen Rechenzentrum ausgebaut werden soll. Dafür wurde ein neuer Leiter eingestellt, Herr Thomas Niesel. Er soll helfen, die Netzwerktechnik und den Einsatz parallelisierter Computer zu verbessern. Der Bedarf an Rechenzeit ist besonders am ZMB sehr groß.

Neue Akzente kann das ZFMK nun auch im Bereich der Wissenschaftsgeschichte setzen. Nachdem im Jahr 2009 das Biohistoricum mit seinen kostbaren Bücherbeständen am ZFMK angesiedelt werden konnte, wurde dafür auch eine fachwissenschaftliche Betreuung notwendig. Diese wird seit dem Sommer 2010 durch Frau Dr. Katharina Schmidt-Loske gewährleistet. Frau Dr. Schmidt-Loske hatte sich in ihrer Dissertation mit der wissenschaftlichen Arbeit von Maria Sibylla Merian (1647-1717) befasst und ist besonders aktives Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie.
Das ZFMK hat auch die Verpflichtung, wertvolles Kulturgut zu bewahren und zu erschließen. Daher kaufte es den Bestand an wissenschaftlichen Filmen auf, den das Göttinger Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) noch kurz vor seiner Schließung abgeben konnte. Es handelt sich um wertvolle Lehrfilme und wissenschaftliche Bilddokumente, teils von historischem Wert, viele davon sind auch heute noch gut in der Lehre einsetzbar.

Parallel zur Schaffung neuer Positionen konnten durch die Neubesetzung der Stellen ausgeschiedener Mitarbeiter neue Kräfte ans Haus geholt werden. Nachdem der bisherige Kustos für Coleoptera, Prof. Dr. Michael Schmitt, auf eine Stelle an der Universität Greifswald wechselte, übernahm Herr Dr. Dirk Ahrens die Kustodie. Er war vorher am Natural History Museum in London tätig, wo er eine besonders kompetitive Forschungslandschaft erlebte. Seine Erfahrungen sind für den Aufbau der Forschung in der Kustodie sehr wertvoll.
Besonders wichtig war auch die Neubesetzung der Verwaltungsleitung. Frau Agathe Paul, die mit ihrem ungewöhnlich hohen Einsatz große Fortschritte für das ZFMK erzielen konnte, wurde mit einer Feier am 14. Juli in den passiven Teil ihrer Altersteilzeit verabschiedet. Mit Frau Angelika Hünerbein konnte zu Jahresende eine Nachfolgerin gefunden werden, die dem ZFMK bisher fehlende juristische Kenntnisse mitbringt. Frau Hünerbein wurde Stellvertreterin des Direktors für die Bereiche Haushalt und Verwaltung, Herr Prof. Dr. Misof ist stellvertretender Direktor für den Bereich Wissenschaft.
Zum Dezember endete die Dienstzeit eines besonders verdienten und mit dem Museum Koenig langjährig verbundenen Wissenschaftlers des ZFMK: Herr Prof. Dr. Wolfgang Böhme, seit August 1971 am ZFMK tätig und seit 1992 stellvertretender Direktor, trat in den Ruhestand, nachdem er die Sektion Herpetologie zu einer der bedeutendsten in Europa ausgebaut hatte. Seine ehemaligen Schüler finden sich überall dort auf wichtigen Positionen, wo herpetologische Kenntnisse oder Evolutionsforschung am Beispiel von Reptilien oder Amphibien gefragt sind. Bemerkenswert ist, dass er parallel zur wissenschaftlichen Arbeit intensive Kontakte zu Amateurwissenschaftlern pflegte und viel Zeit in die Öffentlichkeitsarbeit investiert hat. Am 20. November 2010 fand zu seinen Ehren ein wissenschaftliches Kolloquium statt, das die Tragweite seiner Forschung und auch seine intensive Ausbildung von Nachwuchsforschern sichtbar machte. Sein Nachfolger, Herr Dr. Dennis Rödder, ist Spezialist für Amphibien und bekannt für seine Ansätze zur Modellierung von potentiellen Verbreitungsgebieten, was im Zusammenhang mit der Erforschung der Folgen von Klimaveränderungen und Veränderungen von Habitaten relevant ist.

Anfang September 2010 verstarb Dr. Karl-Heinz Lampe im Alter von 55 Jahren. Er war seit 1986 in der Entomologie des ZFMK tätig und leitete die Kustodie Hymenoptera. Darüber hinaus setzte er sich besonders für die Einführung und Entwicklung der Biodiversitätsinformatik ein. Noch unter dem früheren Direktor des ZFMK, Prof. Clas M. Naumann, hatte er das Datenbanksystem BIODAT zusammen mit dem Berliner Naturkundemuseum entwickelt und sein Wissen insbesondere im Rahmen des BIOTA-Projektes an afrikanische Partner weitergegeben. Für seine Nachfolge werden im Verlauf des Jahre 2011 zwei Stellen ausgeschrieben, für die Kustodie Hymenoptera und für die Biodiversitätsinformatik.

Das Wachstum der Sammlungen und der Bibliothek sowie der personelle Zuwachs erforderten die Anmietung eines Ausweichgebäudes zur Schaffung zusätzlicher Büroarbeitsplätze. Die sogenannte "Sonnenvilla" mit ihren ca. 40 Arbeitsplätzen liegt dem Museum schräg gegenüber (Adenauerallee 131) und konnte im Mai 2010 bezogen werden. Die Räumlichkeiten sind nicht für Laborarbeit geeignet, bieten aber sehr gute Computerarbeitsplätze. Parallel dazu wurde ein Raumprogramm für die Erweiterung des ZFMK mit der Landesregierung verhandelt und schließlich auch genehmigt, was den Weg zu einem Neubau ebnet. Dieser soll vor allem das Zentrum für molekulare Biodiversitätsforschung aufnehmen, aber auch Raum bieten für die wachsende Bibliothek und für die Fischsammlung.

Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele