Anhand einer drei Mal so großen Menge an untersuchten Arten wie in früheren Studien und mit mehr als 340 untersuchten Genen anstelle von bisher 10 ermöglicht die Anzahl der Daten eine neue und bessere Betrachtung der Evolution vieler Verwandtschaftsverhältnisse. Die größte Diversität der Tagfalter trat nach dem Kreide-Tertiär-Massenaussterben auf, dem auch die Dinosaurier zum Opfer fielen.
Besonders interessant ist hinsichtlich der adaptiven Radiation ein Blick auf mutualistischen Interaktionen zwischen Ameisen und Tagfaltern, bei denen die Raupen ein zucker- und aminosäurereiches Sekret produzieren, das die Ameisen als Nahrung lieben. Im Gegenzug für die Versorgung mit Nährstoffen schützen die Ameisen die Raupen gegen Fressfeinde und Parasiten. Diese Wechselbeziehung zwischen Schmetterlingen und Ameisen ist in der Evolution drei Mal unabhängig entstanden: ein Mal bei den Bläulingen (Familie Lycaenidae) und zwei Mal bei den Würfelfaltern (Riodinidae).
„Die Fähigkeit mit Ameisen zu interagieren muss drei Mal unabhängig in der Evolution entstanden sein“ erläutert Dr. Marianne Espeland und ergänzt: „Man dachte früher, die Fähigkeit zu dieser Interaktion ist entweder ein Mal im Laufe der Evolution in einem Vorfahr der Bläulinge und Würfelfalter entstanden, oder – alternativ – je ein Mal in einem Vorfahr jeder der beiden Familien. Bisher wurde niemals gedacht, dass dieses Phänomen drei Mal neu auftrat.“ Die hier präsentierte These wird allerdings durch die Tatsache unterstützt, dass, die Raupen der zwei Würfelfaltergruppen, die mit Ameisen interagieren, unterschiedliche Schallorgane zur Kommunikation mit den Ameisen entwickelt haben. Dieser morphologische Befund bestätigt somit die genetischen Untersuchungen der hier vorgestellten Studie.
Indem alle Unterfamilien und fast sämtliche Tribus untersucht wurden, wird in dieser Veröffentlichung auch der erste Stammbaum der Bläulinge aufgestellt, der zeigt dass die traditionellen Bläulinge (Unterfamilie Polyommatinae) sich innerhalb der Zipfelfalter (Theclinae) befinden, und die alte, auf Morphologie basierte Klassifikation innerhalb der Familie zum größten Teil völlig neu überarbeitet werden muss.
Weiterhin zeigt die Studie, dass die südamerikanische Familie Hedylidae, obwohl sie wie Nachtfalter aussehen, eindeutig Tagfalter sind, ein Befund, der von einigen aktuellen Studien unterstützt wird, doch einige Forscher wollen dies immer noch nicht glauben. Die Hedylidae trennten sich vor ungefähr 105 Millionen Jahren von den Dickkopffaltern (Hesperiidae). Sie wurden in der oberen Kreidezeit oder im Paläogen (frühes Tertiär), danach sekundär wieder nachtaktiv, und entwickelten auf ihren Flügeln Sinnesorgane, die den Ultraschall von Fledermäusen wahrnehmen können, wie sie viele Nachtfalter auch haben. Hierdurch können sie ihrem Feind im Dunkeln entgehen.