Luft taugt nicht für Sperma
Unter den landlebenden Tieren sind vor allem zwei Gruppen dominant, die stammesgeschichtlich
schon seit der kambrischen Ediacara-Periode bei der Gabelung der Bilateria in Proto- und Deuterostomier – also vor 540 bis 635 Millionen Jahren – voneinander getrennt sind [1]: die Insekten und die Landwirbeltiere oder Tetrapoden. Beide Gruppen hatten mit dem Verlassen des Wassers und der Eroberung des Landes außer der Umstellung ihrer Atmung von im Wasser gelöstem Sauerstoff auf Luftsauerstoff und der Kräftigung der Extremitäten zur Lokomotion außerhalb des Wassers auch das Problem der Fortpfanzung außerhalb des Wassers zu lösen. Dazu war für die Männchen die Entwicklung eines intromittierendes Organs erforderlich, da im Gegensatz zum Wasser die Luft sich nicht als Trägermedium für Sperma eignet. Die Amphibien – als die Pioniere des Landgangs in der Wirbeltierevolution – kehrten deshalb für die Reproduktion meist wieder ins Wasser zurück und hielten an einem wasserlebenden Larvenstadium fest. Diese Larven ergeben frappante Parallelen zwischen Insekten und Amphibien, wovon der erste Abschnitt des vorliegenden Aufsatzes handelt. Erst die Reptilien schafften es, sich auch fortpfanzungstechnisch ganz vom Wasser zu lösen. Ihre keratinisierte Haut – durch das chitinisierte Exoskelett der Insekten parallelisiert – schützte vor Austrocknung, und die an Land gelegten Eier waren durch eine pergamentartige oder stark verkalkte Schale ebenfalls geschützt. Die intromittierenden Organe der Männchen zeigen eine hohe morphologische, aber innerartlich konstante Diversität, die wie bei den Insekten auch taxonomische, mitunter auch phylogenetische Relevanz hat. Der bei Insekten häufge Ausweg, partiell oder ganz auf Männchen zu verzichten, ist bei Reptilien erst viel später entdeckt worden.