Mit Hilfe genetischer und morphologischer Analysen haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass sich hinter den Schneckenfresser-Schildkröten nicht wie bislang angenommen zwei, sondern sogar drei Arten verbergen. Dafür hat das Forscherteam über 100 Schildkröten des südostasiatischen Festlands morphologisch und genetisch untersucht. Eigentliches Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob die beiden der Wissenschaft bekannten Arten tatsächlich verschieden sind – manchmal erweisen sich nämlich bei genetischen Untersuchungen vermeintlich unterschiedliche Arten als doch identisch.
Für Flora Ihlow, Doktorandin in der Sektion Herpetologie des ZFMK, war die Überraschung deshalb „umso größer, als die genetischen Daten auf eine dritte, bisher komplett unbekannte Art hinwiesen“. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die neue Art deutliche morphologische Unterschiede aufweist: So hat jede der drei Arten ihre eigene, ganz spezielle Gesichtszeichnung. „Integrative Ansätze, die Morphologie und modernste molekulargenetische Techniken kombinieren, sind mittlerweile unerlässlich, um neue Arten zu entdecken“, erläutert Prof. Dr. Uwe Fritz, Leiter des Museums für Tierkunde an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.
Die Gattung Malayemys umfasst nunmehr drei Arten relativ kleiner Schildkröten mit maximal 22 cm Panzerlänge, die flache Gewässer im gesamten Südostasiatischen Tiefland bewohnen und dabei regelrechte Kulturfolger zu sein scheinen. „Sogar in Reisfeldern, Tempelteichen und Kanalsystemen mitten in Bangkok oder Siem Reap kann man mit etwas Glück Schildkröten der Gattung Malayemys beobachten“ erklärt Ihlow. „Alle drei Arten werden in Thailand, Kambodscha und Laos als Nahrungsmittel sowie für religiöse Auswilderungen gefangen und gehandelt, wodurch die Bestände inzwischen gefährdet sind“, erläutert Ihlow. Trotzdem genießen die beiden bekannten Arten bislang nur einen geringen Schutzstatus. „Die Neubeschreibung wird Auswirkungen auf den Schutzstatus haben, denn dadurch werden die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten kleiner und der Schutzstaus muss neu erfasst und evaluiert werden“, erklärt Ihlow. Zudem wird damit klar, dass bei Wiederansiedlungs- oder Nachzuchtprojekten darauf geachtet werden muss, dass unbedingt „passende Tiere“ verwendet werden.
Das Verbreitungsgebiet der neu beschriebenen Art Malayemys khoratensis scheint auf das namensgebende Khorat Plateau im Nordosten Thailands beschränkt zu sein. „Wir gehen derzeit davon aus, dass M. khoratensis nur im Einzugsgebiet weniger Flusssysteme zu finden ist“ erklärt Timo Hartmann ebenfalls Doktorand in der Sektion Herpetologie des ZFMK.
Ein Männchen der neu entdeckten Art Malayemys khoratensis aus Sikhio, Nordost Thailand. Foto: F. Ihlow.
Exemplar der östlich verbreiteten Art Malayemys subtrijuga vom Tonlé Sap See, Zentral Kambodscha. Foto: F. Ihlow.
Malayemys macrocephala aus Tap Than, Zentral-Thailand. Foto: F. Ihlow.
Quelle / Publikation
Ihlow, F., Vamberger, M., Flecks, M., Hartmann, T., Cota, M., Makchai, S., Meewattana, P., Dawson, J.E., Kheng, L., Rödder, D., Fritz, U. (2016) Integrative Taxonomy of Southeast Asian Snail-eating Turtles (Geoemydidae: Malayemys) unravels a new species and mitochondrial introgression. –PLoS One,
DOI: 10.1371/journal.pone.0153108.
Kontakt:
Flora Ihlow
Sektion Herpetologie
Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn
Tel. 0228 - 9122253
F.Ihlow [at] zfmk.de
Prof. Dr. Uwe Fritz
Senckenberg Naturhistorische
Sammlungen Dresden
Tel. 0351 - 795841 4328
Uwe.Fritz [at] senckenberg.de
--------
Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig - Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere hat einen Forschungsanteil von mehr als 75 %. Das ZFMK betreibt sammlungsbasierte Biodiversitätsforschung zur Systematik und Phylogenie, Biogeographie und Taxonomie der terrestrischen Fauna. Die Ausstellung „Unser blauer Planet“ trägt zum Verständnis von Biodiversität unter globalen Aspekten bei.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 88 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de