Jahresbericht 2011
Grußwort des Direktors
Die Vorbereitung auf die Zukunft unseres Instituts muss die Biodiversitätskrise unseres Zeitalters berücksichtigen, die, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, zu einem unwiederbringlichen Verlust der Arten unseres Planeten führt. Bereits jetzt sind weltweit großflächig Lebensräume und die darin existierenden Arten vernichtet, unsere Nachkommen werden zwangsläufig in einer ärmeren Welt leben müssen. Wir betrachten es als unsere Verpflichtung, unser Fachwissen zu nutzen, um einen Beitrag zur Verminderung dieser verlustreichen Veränderungen der Biosphäre zu leisten. Dazu trägt die Erfassung unbekannter Tierarten bei, die Ausweisung besonders artenreicher oder für einzigartige Arten unverzichtbarer Lebensräume, die Ausbildung von Artenkennern. Da Natur auch genutzt werden muss, ist die nachhaltige Bewirtschaftung ein Ziel, für das wir neue Monitoringtechniken brauchen (effiziente Überwachung des Zustandes der Biodiversität), aber auch die Identifikation wirtschaftlich interessanter Organismen, die als genetisches Reservoir für die Zukunft betrachtet werden können. Technisches und biologisches Wissen muss insbesondere für die artenreichen Tropenländer verfügbar werden.
Viele Einzelprojekte haben faszinierende neue Erkenntnisse erbracht. Einige Beispiele:
- Die These anderer Arbeitsgruppen, wonach marine Schnecken Gene aus Algen assimilieren und selbst nutzen können, konnte mit einer aufwändigen und viel zitierten Genomstudie widerlegt werden (H. Wägele et al. 2011, Mol. Biol. Evol.).
- Um die Vorhersage potentieller Verbreitungsgebiete von Arten zu verbessern, konnten neue Methoden zur Modellierungen der Verbreitung entwickelt und getestet werden (Cord & Rödder 2011, Ecol. Appl.).
- In einem Bionik-Projekt wurde gezeigt, dass Krötenechsen aus Wüstengebieten Mikrostrukturen der Haut nutzen, um Wassertropfen zu absorbieren und in Richtung Kopf zu leiten (Comanns et al 2011, Beistein J. Nanotechn.).
- Bei Sandskinken (ebenfalls Echsen aus Wüstengebieten) konnte eine Schuppenstruktur mit äußerst effizienter Schmutzabweisung und Reibungsminimierung beschrieben werden (Staudt et al. 2011, Proc. SPIE).
- Viele neue Arten wurden entdeckt und beschrieben, darunter auch bisher unbekannte Säugetierarten aus Ostafrika (Kerbis et al. 2011, J. East Afr. Nat. Hist.).
- Aus archäozoologischen Studien in Marokko ging die Entdeckung einer neolithischen, auf Schneckenverzehr beruhenden Ernährungskultur hervor (Hutterer et al. 2011, Beitr. Paläoanthr. Archäozool.).
Neu eingestellte Wissenschaftler
Durch Einstellung von Dr. Thomas Wesener konnte eine neue Sektion gegründet werden, die sich den Tausendfüßern (Myriapoda) widmet. Eine der ersten Veröffentlichungen beschreibt das "Musizieren" (Stridulation) der Tausendfüßer bei der Partnerwahl (Wesener et al. 2011, Naturwissenschaften). Hinzu kommen zahlreiche Entdeckungen neuer Arten der Tausendfüßer. Für das zmb konnte Dr. Alexander Donath als Bioinformatiker eingestellt werden. Die Sektion Hymenoptera wird nach vielen Jahren der arbeitsteiligen Betreuung durch den verstorbenen Dr. Karl-Heinz Lampe wieder mit einer Vollzeitbetreuung gepflegt und ausgebaut. Für diese Aufgabe konnte Dr. Ralph Peters gewonnen werden. Ein großer Erfolg war seine methodisch neuartige Auswertung des bislang größten genetischen Datensatzes, mit dem die Stammesgeschichte der Bienen und Wespen (Hymenoptera) beschrieben werden konnte (Peters et al. 2011, BMC Biology). Für die zweite Aufgabe von Dr. Lampe, die Biodiversitätsinformatik, wurde eine eigene Stelle eingerichtet, für die Dr. Peter Grobe eingestellt werden konnte. Er ist Autor und Programmierer der Datenbank "MorphDbase". Mit Dr. Grobe begann die Einführung der gemeinsam mit den Bayerischen Staatssammlungen gepflegten Datenbank "Diversity Workbench". Die Biologin Corinna Seibt nahm Ende des Jahres zur Verstärkung der Abteilung Ausstellungen ihren Dienst auf. Sie hatte bisher schon für die Alexander Koenig Gesellschaft am Projekt "Regenwald" mitgearbeitet.
Die Pflege der Immobilie ist weiterhin aufwändig. Zu den Renovierungen gehörten die Instandsetzung des "Gedächtniszimmers" mit restaurierten Gemälden aus der Sammlung Alexander Koenigs, und die Inbetriebnahme des "Eiersaals", wo ebenfalls dank des Engagements von Herrn Dr. Rainer Hutterer eine Gemäldesammlung aufgehängt werden konnte. Herr Wolfgang Hartwig hatte vorher die Restaurationsarbeiten an den Gemälden ehrenamtlich ausgeführt. Im "Käferhaus" konnten Arbeitsräume hergerichtet werden. Weitere Arbeiten (u.a. Dachsanierung, Fassadenbeleuchtung) ziehen sich ins Jahr 2012 fort.
Der schöne Park des Instituts wurde zu verschiedenen Gelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ab März 2011 wurde eine Ausstellung von Steinskulpturen der afrikanischen Shona-Kultur gezeigt, während im Haupthaus Makonde-Skulpturen ausgestellt waren. Der Park wird durch einen neuen Biodiversitätsgarten mit zum Teil seltenen einheimischen Pflanzen und Lebensräumen für viele Insekten bereichert. Die Institutsleitung ist den ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern zu Dank verpflichtet, die den Biodiversitätsgarten geplant und mit Begeisterung eigenhändig aufgebaut haben.
Die Öffentlichkeitsarbeit und die Ausstellungsgruppe waren auch dieses Jahr für viele Gelegenheiten sehr gefragt. Dazu gehörten Vorträge, Vernissagen, Sonderausstellungen, Betreuung von Fremdtagungen (z.B. des BMBF, der IUCN, der DFG, der Bonner UN-Sekretariate) oder die Serie "Darwin meets Business" der Alexander Koenig Gesellschaft. Zu der größten Bonner Veranstaltung, dem "Tag der Deutschen Einheit / NRW-Tag" (1.-3. Oktober) zeigten wir Sonderausstellungen. Routine sind inzwischen u.a. der Frühlingsmarkt der Stadt Bonn, das Museumsmeilenfest, die Nacht der Museen und das Stadtfest Bad Godesberg. Besonders erfolgreich ist das gemeinsam mit und auf Anregung der Alexander Koenig Gesellschaft realisierte Jugendprogramm, das vom Vorlesen für Kinder bis zum Jungforscherclub für angehende Wissenschaftler reicht. Das ist auch ein Anlass, der Alexander Koenig Gesellschaft für ihr erfolgreiches und weithin sichtbares Engagement zu danken.
Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele