Reptilien-Freunde aufgepasst: Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Prof. Dr. Hinrich Kaiser vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz Institut für Biodiversitätsforschung (ZFMK) in Bonn, hat eine neue Schlangenart entdeckt. Benannt wurde sie nach dem Reptilienexperten Joseph B. Slowinski (1962-2001), der während einer Forschungsreise im Norden Myanmars am Biss eines Kraits (einer Giftnatter) starb. So heißt das neuentdeckte, schwarz-weiß gebänderte Reptil, das in den Sammlungen der California Academy of Sciences in San Francisco und des National Museum of Natural History in Washington, DC gefunden wurde, nun Slowinski-Walzenschlange (Cylindrophis slowinskii). „Die Entdeckung zeigt, was für erstaunliche Arten sich in den Schränken von Museumssammlungen versteckt halten und auf ihre Entdeckung warten“, sagt Hinrich Kaiser.
Wie das Team im Fachblatt Zootaxa schreibt, lebt Cylindrophis slowinskii nur am Ufer des Indawgyi-Sees im Kachin-Staat im Norden von Myanmar – einer Region mit einer ausgesprochen hohen Artenvielfalt. „Myanmar ist eines der letzten, weitgehend unerforschten Gebiete der Erde, ein Hotspot der biologischen Vielfalt.“ sagt Dr. Sven Mecke von Naturkundemuseum Paderborn, der das Projekt leitete. Cylindrophis slowinskii ist nun schon die 177ste Schlangenart, die in dem südostasiatischen Land nachgewiesen worden ist. Bei uns in Deutschland leben gerade einmal sechs Schlangenarten.
Die neue Schlange gehört zur Familie der Walzenschlangen, von denen es noch 14 weitere Arten gibt. Diese ungiftigen Schlangen sehen sich oft ziemlich ähnlich, sodass eine neue Art leicht übersehen werden kann. Das Besondere der rund 30 Zentimeter langen Cylindrophis slowinskii: die Beschuppung des Schwanzes und die vielen länglichen Flecken auf der Körperunterseite. Per DNA-Analyse konnten die Forscher sie als eigenständige Art identifizieren und einen Stammbaum der Gattung erstellen. Die bisher unbekannte Art gehört zu den Wühl- und Riesenschlangenartigen und damit zu jener Überfamilie, zu der auch die größten lebenden Schlangenarten zählen.
Cylindrophis slowinskii ist übrigens nicht das erste Reptil, das nach Slowinski benannt wurde. Im Jahr 2002 erhielt ein in Myanmar beheimateter Gecko den Namen dieses Forschers (Cyrtodactylus slowinskii), im Jahr 2005 war ein in Thailand, Laos und Vietnam verbreiteter Krait an der Reihe (Bungarus slowinskii). Über zehn Jahr später entdeckten Forscher eine kleine Agame (eine Echse) in China, die sie Diploderma slowinskii tauften. „Bestimmt werden auch noch weiter Arten zu Ehren von Joe Slowinski benannt, schließlich war er einer der weltweit führenden Experten für asiatische Reptilien,“ so Kaiser.
Steckbrief Walzenschlangen (Cylindrophis).
Walzenschlangen sind weniger als einen Meter lange, grabende Reptilien, die auf Sri Lanka und in Südostasien bis in die indonesische Inselwelt hinein vorkommen. Besonders charakteristisch für diese Reptilien sind ihr kurzer Kopf mit kleinen Augen, der kurze Schwanz und die auffällig gemusterte Körperunterseite. Bei Gefahr wird der hintere Körperabschnitt abgeflacht und die meist rot gefärbte Schwanzunterseite präsentiert. Walzenschlangen sind lebendgebärend und bringen bis zu 15 Junge zur Welt. Sie ernähren sich von anderen Schlangen, Echsen und Fischen. Aufgrund ihrer versteckten Lebensweise ist bis heute nur wenig über sie bekannt.
Kurzbiografie Joe Slowinski.
Joseph “Joe” Bruno Slowinski (15. November 1962 – 12. September 2001) war ein US-amerikanischer Reptilienkundler. Er war seit seiner Kindheit besonders fasziniert von der Familie der Elapidae – den Giftnattern, mit dem gefürchteten Viergestirn Kobras, Mambas, Kraits und Korallenottern. Seine erste Schlange fing er im Alter von gerademal vier Jahren. Nach der Überwindung vieler bürokratischer und logistischer Hindernisse gelang es dem enthusiastischen und ehrgeizigen Wissenschaftler im Jahr 2001, eine internationale Expedition in den abgelegenen und noch kaum erforschten Norden Myanmars zu organisieren. Am 11. September, am Tag des bislang folgenschwersten Terroraktes in seiner Heimat, wurde der Reptilienkundler in einem Moment der Unachtsamkeit von einem Krait (Bungarus multicinctus) gebissen und verstarb.
Publikation: Bernstein, J.M., Bauer, A.M. McGuire, J.A., Arida, E., Kaiser, H., Kieckbusch, M. & Mecke, S. (2020). Molecular phylogeny of Asian pipesnakes, genus Cylindrophis Wagler, 1828
(Squamata: Cylindrophiidae), with the description of a new species from Myanmar. Zootaxa, 4851, 3, 535-558.
Der Originalartikel kann heruntergeladen werden unter:
https://www.researchgate.net/publication/344197915_Molecular_phylogeny_o...
Förderung: Die zugrundeliegenden Forschungsarbeiten wurden durch das American Museum of Natural History in New York, die Villanova University in Pennsylvania und die National Geographic Society finanziell gefördert.
Fachfragen bitte an:
Prof. Dr. Hinrich Kaiser
Gastwissenschaftler
Herpetologie
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Bildunterschriften: Cylindrophis slowinskii. Fotos: Justin Bernstein, Rutgers State University of New Jersey, USA.
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