Jahresbericht 2015 / 2016
Vorwort
Regelmäßig müssen wir für unsere Zuwendungsgeber Geschäftsberichte und
Programmbudgets schreiben, diese immer in zwei Versionen, für das unmittelbar
bevorstehende und das dann folgende Jahr. Diese und andere (notwendige)
Berichte kosten Zeit. Zeit, die auch für Forschungsprojekte investiert werden
könnte.
Die Jahresberichte sind anders. Wir stellen aus Ökonomiegründen die Jahresberichte
nur alle zwei Jahre her. Diese richten sich an jene Mitbürger und Bürgerinnen,
die sich weniger für Statistiken und mehr für unsere Mission interessieren, für
unsere Erlebnisse, Entdeckungen, für die Entwicklung von Methoden, die die
Wissenschaft voran bringen. Es macht Freude, über die eigene Arbeit zu schreiben,
und im Rückblick zusammenzufassen, was erreicht werden konnte.
Das Museum Koenig, wie es im Rheinland genannt wird, pflegt die Kernaufgabe
eines Naturkundemuseums: Die Artenvielfalt unseres Planeten zu entdecken,
zu dokumentieren, die Arten zu benennen, Daten zu veröffentlichen, ohne die
ein Schutz der Arten nicht möglich wäre. Dazu gehören auch Beobachtungen
zur Lebensweise, z.B. tropischer Schwebfliegen, über die Dr. Mengual-Sanchis
berichtet. Einzelne Taxonomen des Instituts wie Herr Dr. Ahrens oder Herr Dr.
Huber haben schon mehrere Hundert Arten entdeckt und beschrieben. So hohe
Zahlen kann man bei Insekten und Spinnen erreichen. Darüber wird in diesem
Band berichtet. Sogar im Garten unseres Instituts wurde von B. Rulik eine neue
Mückenart entdeckt. Bei Vögeln und Säugetieren sind die meisten Arten schon
bekannt, und es sind insgesamt viel weniger Arten, aber es gibt trotzdem nur
wenige Menschen, die auch die selteneren Arten kennen und sich für diese
einsetzen können. Herr Dr. Töpfer dokumentiert das Vorkommen seltener Vögel in
Äthiopien, Herr Dr. Decher und sein Team haben das Vorkommen wenig bekannter
Fledermäuse in Westafrika veröffentlicht. Diese Entdeckungen entstanden oft
auf entbehrungsreichen Expeditionen. In Westafrika auf schlammigen Wegen
tagelang unterwegs, um Kleinsäuger zu fangen, war u.a. Frau Wistuba, die derzeit
als Präparatorin bei uns tätig ist. Frau Meyers forscht in einem angenehmeren
Lebensraum: Die Gewässer um die Kanarischen Inseln sind das Revier, in dem sie
die Verbreitung von Engelhaien erforscht, einer stark bedrohten Tiergruppe. Nicht
alle diese Geschichten können hier vorgestellt werden, wer mehr darüber erfahren
will, sollte unsere populären Vortragsreihen besuchen.
Diese traditionsreichen Aufgaben reichen nicht aus, um den heute notwendigen
Beitrag zur Erhaltung unserer Biosphäre zu leisten. Die beschriebenen Arten
geraten in Vergessenheit, weil es zu viele sind, die Literatur weit verstreut und
für Nichtspezialisten schwer verständlich. Daher arbeiten wir seit mehreren Jahren
an „Expertensystemen“, die von weniger spezialisierten Biologen genutzt werden
können. Diese bestehen aus Datenbanken und aus Methoden, mit denen das
gespeicherte Wissen für die Analyse von Umweltproben oder Umweltsignalen
eingesetzt werden kann. Herr Dr. Töpfer stellt dar, wie man mit Tonaufzeichnungen
das Vorkommen von Vögeln dokumentieren kann. Künftig werden solche Systeme
autonom „lauschen“ und die Präsenz von Vogelarten melden können. Ein
herausragendes Projekt, über das hier berichtet wird, ist das German Barcode of
Life Projekt. Mit diesen genetischen Daten lässt sich jede organische Spur einer Art,
die aus Deutschland bekannt ist, automatisiert identifizieren. Umweltproben mit
Hunderten von Arten werden sich bald über Nacht bestimmen lassen.
DNA-Barcoding ist nur eine von mehreren Aufgaben des Zentrums für molekulare
Biodiversitätsforschung (zmb), das auch die Evolution von Genomen untersucht,
wovon Dr. Carola Greve berichtet. Es werden neue Informatikwerkzeuge
entwickelt, wie den „Bait Fisher“. Dieser Algorithmus ermöglicht die Entwicklung
von effizienten genetischen Sonden, mit denen eine große Zahl von Genen gezielt
aus einem Gemisch gefischt werden können. Es gäbe noch viel mehr zu berichten,
die zmb-Mitglieder sind jedoch zur Zeit mehr als ausgelastet, um den Neubau zu
planen, der 2020 bezogen werden soll.
Bei so viel Modernität soll die Brücke zur Vergangenheit der Wissenschaft, auf der
wir aufbauen, nicht abgerissen werden. Das Biohistoricum entwickelt sich zu einem
Treffpunkt all jener, die die Geschichte der Biologie verstehen und rekonstruieren
wollen. Frau Dr. Schmidt-Loske, die Leiterin des Biohistoricums, stellt in ihrem
Beitrag an Beispielen dar, wie Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte
verflochten sind.
Unser Forschungsmuseum pflegt nicht nur die wissenschaftlichen Sammlungen,
sondern selbstverständlich auch die Ausstellungen für die Öffentlichkeit. Seit
vielen Jahren wird die Dauerausstellung stetig mit neuen Elementen erweitert,
die jeweils andere Lebensräume unseres Planeten mit Vegetation und Fauna
möglichst naturgetreu zeigen, wobei darauf geachtet wird, dass biologische
Wechselwirkungen zwischen den Arten erklärt werden können. Besonders
aufwändig war die Herstellung der Ausstellung „Regenwald-Unterholz“, deren
Genese Corinna Seibt darstellt. Über die 2016 begonnene, aber erst 2017 fertig
gestellte Ausstellung „Leben im Fluss“ wird das nächste Mal berichtet…..
Ausstellungen reichen nicht immer aus: Vermittlung von Wissen muss noch
gezielter und intensiver stattfinden, angepasst an die Zielgruppe. Wir beteiligen
uns nicht nur an der Ausbildung der Studenten der Universität Bonn, sondern
auch am Training von Dozenten in anderen Ländern. Frau Prof. H. Wägele
berichtet über ihre Erfahrungen in Indonesien, einem Land mit außerordentlicher
Artenvielfalt in den Wäldern der Inseln und in den Korallenriffen. Eine besonders
wichtige Zielgruppe für uns sind auch Kinder und Jugendliche. Das Team H.
Weon-Kettenhofen und Eva Neitscher leistet fantasiereich und mit großem
Erfolg Bildungsarbeit, insbesondere auch für Kinder mit schwierigem sozialem
Hintergrund. Der Bedarf an außerschulischen Angeboten ist sehr groß, es gibt
Wartelisten. Hier könnten wir mehr Ressourcen gebrauchen!
Die Arbeit im Forschungsmuseum ist ungewöhnlich vielseitig, divers wie das Leben
auf unserem Planeten. Ich hoffe, dass auch Sie an dieser Vielfalt Gefallen finden.
J. Wolfgang Wägele
Direktor