Natürliche, indigene Wälder sind in Südafrika rar. Sie machen nur etwa 0,6% der Landesfläche aus und sind nur noch in geschützten Schluchten oder an Berghängen zu finden. Das liegt unter anderem daran, dass Feuer, wie sie zur Erhaltung von Farmland, aber auch zum Schutz des ebenfalls ökologisch wertvollen Graslands und der Südafrika eigenen Fynbos („Feiner Busch“) Vegetation eingesetzt werden, sie dort nicht erreichen können. Trotz ihrer geringen Ausmaße beherbergen sie eine reiche Flora und Fauna. Da die Umweltbedingungen in Südafrika über lange evolutionäre Zeiträume relativ stabil waren, und es immer eine Vielzahl an kleinräumigen Klimata gegeben hat, überlebten viele Arten, die heute zum Teil nur dort vorkommen und oft keine näheren Verwandten haben. Das gilt sowohl für die Wälder als auch für andere Landschaftsformen in der massiv durch den Menschen überprägten Landschaft. So werden bis heute Diskussionen über die natürliche Ausdehnung der vor dem verschwinden gefährdeten Wälder geführt.
Eine Veröffentlichung mehrerer Forscher des ZFMKs in der Zeitschrift Global Change Biology über wald-assoziierte Minimaikäfer lässt nun vermuten, dass die natürliche Ausbreitung der Wälder durchaus größer sein könnte, als es momentan angenommen wird. Da die untersuchten Minimaikäfer der Gattung Pleophylla ausschließlich im Wald vorkommen, wo sich ihre Larven im humusreichen Boden entwickeln, kann ihre Verbreitung stellvertretend für den Wald angenommen werden. Modellierungen auf der Basis des gegenwärtig bekannten Vorkommens der einzelnen Arten und des für die Käfer geeigneten Klimas zeigten, dass eine viel weitere Verbreitung des Waldes möglich wäre. Die Daten bestätigten somit ähnliche frühere Thesen anderer Forscher.
Projektionen der Modelle auf das Klima seit der letzten Eiszeit legten nahe, dass südafrikanische Wälder in natürlicher Art und Weise großen Flächenschwankungen unterlagen. Unter Umständen können solche Schwankungen durch wiederholte Isolation von Populationen sogar mitverantwortlich für die enorme Artenvielfalt in Südafrika sein.
Dennoch ist das momentane Minimum der Waldausbreitung gefährlich, denn menschliche Aktivitäten wie Feuer und Forstwirtschaft verhindern, dass sich die Wälder wieder weiter ausbreiten können. Durch den hohen Grad an Fragmentierung erreichen viele Arten das Limit ihres Ausbreitungspotentials, so dass bereits Populationen isoliert sind. Dies wird sowohl durch Klimamodel-basierte Konnektivitätsanalysen als auch genetische Daten bestätigt.
Eine weitere Verkleinerung der Wälder oder das Wegfallen von Trittsteinpopulationen könnte somit zur Verarmung des Erbguts oder gar zum Aussterben vieler Populationen führen. Die Erkenntnisse der Bonner Forscher zeigen nun konkrete Korridore auf, in denen die Verbindung zwischen den Waldstücken zum dringenden Erhalt der noch existierenden Wälder optimal wiederhergestellt oder verbessert werden könnte, wodurch dem Erhalt der gesamten bedrohten Waldfauna geholfen werden kann.
Jonas Eberle, Dr. Denis Rödder, Dr. Dirk Ahrens
Kontakt:
Dr. Dirk Ahrens
Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere
Adenauerallee 160, 53113 Bonn
Tel. +49 228 9122 286
E-Mail: d.ahrens [at] leibniz-zfmk.de
Originalpublikation:
Eberle, J., Rödder, D., Beckett, M., and Ahrens, D. (2017) Landscape genetics indicate recently increased habitat fragmentation in African forest-associated chafers. Global Change Biology (2017), doi: 10.1111/gcb.13616
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/gcb.13616/abstract
Fotos:
Ein Männchen des Minimaikäfers Pleophylla silvatica auf nächtlicher Partnersuche. Diese Art wurde im Rahmen der Untersuchung erst neu entdeckt.
Waldreste in den tiefen Schluchten des Blyde-River Canyons. Hier sind Wälder weitgehend von Feuern und Abholzung verschont geblieben.
Mosaik von Grasland auf den Ebenen (Hintergrund) und Wald im Tal, typisch für die Vegetation im südafrikanischen Escarpment.
Kahlschlag auf einer mit fremdländischen Bäumen forstwirtschaftlich genutzten Fläche. Diese Flächen werden nach der "Ernte" generell abgebrannt, da die Plantagenreste kaum durch die einheimischen Totholzorganismen zersetzt werden und die Brandgefahr in neuen Anpflanzungen extrem erhöhen.
--------------
Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig - Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere hat einen Forschungsanteil von mehr als 75 %. Das ZFMK betreibt sammlungsbasierte Biodiversitätsforschung zur Systematik und Phylogenie, Biogeographie und Taxonomie der terrestrischen Fauna. Die Ausstellung „Unser blauer Planet“ trägt zum Verständnis von Biodiversität unter globalen Aspekten bei.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 91 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de